MACHTMISSBRAUCH UNTER DER GÜRTELLINIE

Mikael Petersen

Ein Politiker, der Frauen an die Wäsche geht. Und niemand sagt etwas. Das ist in Grönland leider keine Seltenheit. Der Fall Petersen könnte das jetzt ändern.

Von Danijela Jelen

Sexuelle Korruption ist in Grönland ein ernstes Problem. Oft sind es gerade Personen in führenden Positionen − Vorgesetzte, Lehrer oder Politiker − die sexuelle Dienstleistungen einfordern oder grenzüberschreitende Handlungen begehen. So auch im Fall Mikael Petersen.

Was ist passiert?

Ein brandaktuelles und wohl das bekannteste Beispiel in Grönland ist das von Mikael Petersen, ehemaliger Parteisekretär der sozialdemokratischen Siumut und der populistischen Partii Naleraq. Zehn Frauen sollen in der Vergangenheit von ihm belästigt worden sein – von verbalen Beleidigungen bis hin zu Begrabschen von Oberschenkeln, Po und Brüsten. Die Vorfälle müssen sich zwischen 2013 bis 2018 hinter den Mauern der Parteibüros der Siumut in Nuuk ereignet haben. Nachdem die Vorwürfe Anfang letzten Jahres ans Licht kamen, wurde Petersen als Parteisekretär der Siumut entlassen. Nur zwei Monate später dann die unglaubliche Meldung: Mikael Petersen wird Parteisekretär der Partii Naleraq, was nicht nur wegen der unterschiedlichen parteilichen Gesinnungen verblüfft, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass er offenbar eine Straftat begangen hatte. Der Politiker Kuno Fencker, der mit einer der Betroffenen, der Folketingsabgeordneten der Siumut Aki-Matilda Høegh-Dam, liiert ist, verließ als Reaktion umgehend die Partei. Wegen einer Anzeige und polizeilicher Ermittlungen ist Petersen im November letzten Jahres wieder zurückgetreten. Er selbst gab zunächst zu, Grenzen überschritten zu haben, wies aber später alle Vorwürfe wieder zurück.

Aufschwung für die grönländische MeToo-Bewegung

Inzwischen ist er wegen besagter Vorwürfe vor Gericht gelandet. Petersen bestreitet nach wie vor alle Anklagepunkte, sei doch ein Schulterklopfen − oder auch Berühren anderer Körperteile − nur als freundliche Motivation oder Lob bei der Arbeit zu verstehen. Es sei aber nie darum gegangen, jemanden sexuell zu belästigen.

Die Perspektive einer befragten Zeugin offenbart ein ganz anderes Bild. Sie hat seine Handlungen schlichtweg als übergriffig, schockierend und lähmend wahrgenommen. Ihren Job kündigte sie. Mehrere Zeuginnen bestätigten zudem, dass der Tonfall seitens Petersen oft unter die Gürtellinie rutschte: „Wie wäre es, die kleine (…) von hinten zu nehmen?“ „Sie soll so hart gevögelt werden, dass sie in Gelächter ausbricht.“ Obwohl das dem Parteivorsitz gemeldet wurde, änderte sich nichts.

„Der Fall Petersen hat die grönländische MeToo-Bewegung, in Grönland Killiliisa genannt, wiederbelebt.“

Neben den Anschuldigungen konnte man bei der Anhörung Reue bei den Zeuginnen heraushören, sich nicht noch früher intensiver für die Aufdeckung die Fälle eingesetzt zu haben. Die Zurückhaltung hat einen Grund, nämlich die Angst vor den Konsequenzen. Mikael Petersen genieße viel Macht und Respekt. Mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu gehen, könnte auf viel Skepsis stoßen, so Aki-Matilda Høegh-Dam. Auch die Angst, dass Petersen ihr das Leben vielleicht zur Hölle gemacht hätte, ging ihr durch den Kopf. Schlussendlich reagierten auf ihre Initiative hin auch andere Frauen mit Zeugenbriefen an die Siumut.

Der Fall Petersen hat die grönländische MeToo-Bewegung, in Grönland Killiliisa genannt, wiederbelebt. Die Debatte wurde auch in den Medien weitergeführt. Eine der Frauen, Paninnguaq Heilmann, erklärte in einem Interview gegenüber der grönländischen Rundfunkanstalt KNR, dass sexuelle Belästigung in der Gesellschaft indirekt akzeptiert werde.

Umfrageergebnisse sprechen für sich

In einer Umfrage von Transparency International, eine Vereinigung, die Korruption bekämpft, sind sich fast alle Befragten einig: Sexueller Missbrauch durch Autoritätspersonen im Beruf ist ein verbreitetes Problem. Auf die Frage, ob man schon einmal selbst von einer öffentlich angestellten Person belästigt wurde oder jemanden kennt, dem das widerfahren ist, antwortet fast ein Drittel der Befragten mit Ja. Aus einer landesweiten Umfrage des KNR über sexuelle Belästigung im Privaten und auf dem Arbeitsplatz kamen ähnliche Ergebnisse hervor: Ganze 71 % empfinden sexuelle Belästigung als ein allgemeines Problem in der Gesellschaft. Weiter geben die Hälfte der Befragten an, im Privaten sexuelle Belästigung erlebt zu haben, ein Viertel im Arbeitskontext.

Sehr hohe Zahlen, meint Birita í Dali, die Vorsitzende von Transparency International Greenland und bemüht sich um mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Problem.

Und jetzt?

Für mehr Aufklärung fordert Birita í Dali weitere Studien und ist der Meinung, Antikorruptionsmaßnahmen gehören in die ethischen Richtlinien von Unternehmen und im öffentlichen Sektor verankert.

Und im Fall Petersen? Die Staatsanwaltschaft fordert 60 Tage Haft für ihn, die Verteidiger den Freispruch des Angeklagten. Bis Mittwoch, den 13. Januar heißt es Abwarten auf ein endgültiges Urteil, denn einige Zeugenaussagen fehlen noch.